Mein Weg zur Adoption in Haiti
Bevor ich mich zur Adoption eines Kindes in Haiti entschied, hatte ich eine langen und steinigen Weg hinter mir, über künstliche Befruchtung ein Kind zu bekommen.
Die Versuche, über Samenspende Mutter zu werden, dauerten drei Jahre und scheiterten allesamt. Deshalb überlegte ich, wie es weitergehen könnte. Über ein Internetforum erfuhr ich von verschiedenen Möglichkeiten, als alleinstehende Frau außer einer künstlichen Befruchtung Mutter zu werden - Eizellspende, Embryonen- Adoption, Pflegschaft und In- und Auslandsadoption. Mit den ersteren Möglichkeiten konnte ich mich nicht identifizieren. Ich informierte mich über Inlandsadoption, erfuhr aber, dass man als Vierzigjährige schon zu alt war und die Chancen inDeutschland sowieso gering waren. Die Pflegschaft kam nicht in Frage, weil mir die Gefahr zu hoch erschien, das Kind evtl. wieder abgeben zu müssen.
Es gab im besagten Internetforum auch Frauen, die ein Kind in Haiti adoptiert haben. Mir wurde von ihnen als seriöse Vermittlungsstelle Help a child e. V. empfohlen. So fuhr ich nach Kaltenengers zum Informationsseminar. Mein Eindruck war sehr positiv. Ich wurde über den Ablauf und die Kosten auf kompetente Weise informiert. Ich erfuhr vieles über die Kinder, die zur Adoption freigegeben werden und über die Gründe dafür in den jeweiligen Ländern, mit denen Help a child e. V. zusammenarbeitet. Eine Mutter adoptierter Kinder berichtete lebendig von ihren Erfahrungen. Es wurde über einzelne Herkunftsländer genauer gesprochen. Für mich war besonders interessant, dass Haiti eines der wenigen Länder ist, in denen auch Alleinstehende adoptieren können. Hinzu kam, dass es ein christlich geprägtes Land ist, in dem Französisch gesprochen wird. Da ich fließend Französisch spreche, rückte das Land für mich noch einmal besonders in den Fokus.
Die Atmosphäre auf dem Informationsseminar war sehr angenehm und gastlich. An den Wänden hingen schöne Kinderbilder und interessante Zeitungsartikel, es gab gute Verpflegung und der Kontakt zu den anderen Seminarteilnehmern war sehr freundlich. Als ich aus diesem Seminar herausging, war ich ganz aufgeregt und erfüllt von der Möglichkeit, die sich mir auftat, ein Kind in Haiti adoptieren zu können. Natürlich hatte ich Respekt vor dem Ablauf und den Kosten einer Auslandsadoption, aber was ich auf dem Seminar über die Chancen erfahren hatte, machte mich zuversichtlich. Es fühlte sich wie eine Herzensentscheidung an, diesen Weg schließlich wirklich einzuschlagen. Ich wunderte mich, dass ich nicht schon viel früher auf den Gedanken gekommen war, im Ausland zu adoptieren. Es erschien mir plötzlich ein gangbarer und natürlicher Weg, auf diese Weise Mutter zu werden. Mir
erschien es nicht mehr wichtig, leibliche Mutter zu werden, da ich auf dem Informationsseminar erfahren hatte, dass es trotz aller Besonderheiten auch gute Bindungschancen gibt, wenn man ein Kind im Ausland adoptiert. Es war so von einem Plan B vollkommen zu einem Plan A geworden, mit dem ich mich vollständig identifizieren konnte. Hinzu kam die relative Sicherheit, dass am Ende des Weges wirklich ein Kind stünde.
So meldete ich mich als Adoptionsanwärterin bei Help a child e. V. an. Die Bewerbungsakte musste fertiggestellt werden, was organisatorisch sehr aufwändig war. Es vergingen einige Monate, bis alle Dokumente beisammen waren und ich nach einem Gespräch mit meiner Betreuerin bei Help a child e. V. offiziell anerkannte Adoptionsbewerberin wurde. Meine Akte wurde nach Haiti geschickt und dort schließlich registriert. Ab dem Zeitpunkt begann die lange Wartezeit. Es gelang mir aber, das Adoptionsvorhaben aus meinem Alltag mehr oder weniger zu verdrängen und das Leben trotz des Wartens zu genießen.
Als schließlich der Kindervorschlag kam, war mehr Zeit ins Land gegangen als gedacht - vier Jahre. Es war zudem mitten in Zeiten der Covid-19-Pandemie und ich hatte auch deswegen kaum noch gewagt, daran zu glauben. Ich war sehr aufgeregt und begann trotz der weltweiten Reisebeschränkungen die Reise zu planen, um mein Kind kennenzulernen. Es war möglich, die Besuchsreise wegen der unsicheren politischen Lage in Haiti zu verkürzen.
So machte ich mich gemeinsam mit einer weiteren Frau und einem Ehepaar wenige Wochen später auf den Weg in eine andere Welt - nach Haiti. Da Help a child e. V. die Kontakte zwischen anderen Adoptionsbewerbern vermittelt, war ich sehr froh, nicht allein reisen zu müssen. Wir verstanden uns auf dieser Reise hervorragend. Es war schön, sich miteinander über das Erlebte auszutauschen und wir bleiben weiterhin in Kontakt. Als ich schließlich das Kind auf meinen Armen hielt, konnte ich es kaum glauben, dass es sich leibhaftig um mein zukünftiges Kind handelte. Ich wurde von meinen Gefühlen schlicht überwältigt. Stück für Stück lernten wir uns kennen und es entwickelte sich
relativ schnell eine vertrauensvolle Beziehung zwischen uns. Mir kam es bald so vor, als bildeten wir schon eine stimmige, harmonische Einheit. Ich hatte den Eindruck, als wäre diese Reise eine Art Geburt, so innig empfand ich meine Gefühle zu dem Kind.
Nach fünf intensiven Kennenlerntagen reisten wir wieder ab. Wir warten nun alle auf das Interview mit dem IBESR, damit das Verfahren danach weitergehen kann und wir hoffentlich alle in einigen Monaten unsere Kinder abholen können. Als Zwischenfazit lässt sich sagen, dass sich diese lange Wartezeit und der gesamte Aufwand unbedingt gelohnt haben.